„Habe mir die Wirbelsäule gebrochen“: Surfer spricht über berühmteste Welle Deutschlands | The Weather Channel

„Habe mir die Wirbelsäule gebrochen“: Surfer spricht über berühmteste Welle Deutschlands

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An einer Brücke am südlichen Rand des Englischen Gartens bietet sich ein ungewöhnliches Bild. Entlang des Steinufers reihen sich Surfer in schwarzen Neoprenanzügen, die abwechselnd manchmal fast schon im Sekundentakt nacheinander in den Eisbach springen. Dort steht auch Murray Keegan, sein violettes Surfbrett unter dem Arm, in der Schlange und wartet. Das Geräusch vorbeifahrender Autos wird nur von dem Tosen des eiskalten Wassers übertönt. Mitten in München, hat sich hier über Jahrzehnte hinweg ein Hotspot für Surfer etabliert, der mittlerweile weltberühmt ist: die Eisbachwelle.

Vor Murray steht noch ein junger Surfer in der Reihe. Die Anspannung ins Gesicht geschrieben, steigt er auf sein Board und lässt sich von der kraftvollen Welle bis zur Mitte der Flusses ziehen. Plötzlich schwankt er und fällt nach vorne. Er verschwindet in einer Masse aus weißem Schaum, während das Surfbrett durch die Luft wirbelt. Dann taucht der junge Mann wieder auf und hievt sich an das steinige Ufer. Er stellt sich erneut bei Murray und den anderen in der Schlange an. Weiter geht’s. Der nächste springt ins Wasser.

Der Unterschied zum Wellenreiten auf dem Meer

Als Murray nach München zog, musste er schnell lernen, dass sich das Riversurfing stark vom Wellenreiten im Meer unterscheidet. „Es ist eine andere Dynamik. Im Meer kommt das Wasser von hinten, hier von vorne. Hier muss man sein Gewicht etwas mehr nach vorne verlagern und mehr auf sein Gleichgewicht achten. Es ist nicht so einfach“, sagt Murray im Gespräch mit dem Weather Channel.

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Der gebürtige Australier lebt seit 10 Jahren in München und ist freiberuflicher Englischlehrer. Seine Mittagspausen verbringt er an der großen Eisbachwelle, die von Riversurfern auch E1 genannt wird.

Der Beginn der Eisbachwelle

Das Surfen auf der E1 war lange Zeit verboten. Auch der Ausbau der Welle war alles andere als legal. Am Anfang war hier nur eine stehende Welle, die durch eine Steinstufe erzeugt wurde und bloß bei den richtigen Wetterbedingungen für wenige Tage im Jahr surfbar war. Doch das änderte sich, als Walter Strasser vor etwa 40 Jahren eine Metallschiene im Wasser anbrachte und so die Strömung regulierte - eine Aktion, die keinesfalls von der Stadt genehmigt war. Dafür erhielt Strasser den Spitznamen „Hausmeister der Eisbachwelle“, denn ab diesem Zeitpunkt war die etwa einen halben Meter hohe Welle ganzjährig surfbar. Offiziell geduldet ist die Szene jedoch erst seit 2010.

Damit keine schweren Unfälle passieren, achten die Riversurfer gegenseitig aufeinander. Neuankömmlinge, die noch unerfahren sind, werden vorerst zur kleinen Eisbachwelle, die sogenannte E2, oder zur Floßlände, die weiter südlich in München bei Thalkirchen liegt, geschickt. Dort können sie üben. So soll sichergestellt werden, dass sich niemand schwer verletzt. Auch Walter Strasser war dafür bekannt, sogar weltbekannte Profisurfer vom Wellenreiten auf der E1 abgehalten zu haben – mal mehr, mal weniger freundlich.

Surfer unter Extrembedingungen

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Neben dem Lenken und Balancehalten stellt aber auch das Wetter die Surfer regelmäßig vor eine Herausforderung: Sie setzen sich häufig Extrembedingungen wie Regen, Schnee, Kälte und Dunkelheit aus. Denn gesurft wird bei Tag und Nacht, zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Murray stört sich daran nur wenig: „Ich mache keine Pause. Viele Leute surfen nicht im Winter. Bei mir waren minus 15 Grad das Kälteste.“

Aber es gibt noch einen weiteren Störfaktor: So wie die Welle über Jahre hinweg Zuwachs an jungen Wellenreitern gewinnt, so sehr hat sie auch als Touristen-Hotspot an Beliebtheit gewonnen. Massen von Zuschauern reihen sich am Flussufer ein, das Handy oder die Kamera in der Hand– teils sehr zum Unmut der Surfer. Murray erzählt: „Die Leute sind wie Paparazzi. Sie kommen her, filmen und fotografieren alles – sogar mit Drohnen. Ab und zu ist es wirklich wie im Zirkus.“

Eine Frage der Sicherheit oder stumpfer Lokalismus?

Die wachsende Popularität der Eisbachwelle scheint noch einen ganz anderen Effekt mit sich zu bringen: Durch die steigende Anzahl der Surfer entstehen auch Streitigkeiten. Es bilden sich sogenannte Crews. Und nicht immer wird ein Neuankömmling mit offenen Armen empfangen. Auch Murray bemerkt von Zeit zu Zeit eine geladene Stimmung: „Es ist immer eine Frage, wer da ist. Es gibt einige Leute, die glauben, die Welle gehört ihnen“, erzählt er.

Die Schwierigkeit für Neulinge bleibt. Ob es sich um persönliche Rankespielchen oder Strenge zum Wohl der Sicherheit handelt, lässt sich schwer unterscheiden. Vorsicht ist aber auf jeden Fall geboten. Denn dass Riversurfing keineswegs gefahrlos ist, mussten auch erfahrene Surfer wie Murray bereits schmerzhaft lernen.

Möglichkeiten und Risiken

„Ich habe mich schon oft verletzt. Am schlimmsten war bisher ein Bruch der Wirbelsäule. Hinter der Welle gibt es Betonsteine. Eine davon hat meine Wirbelsäule getroffen. Am Anfang dachte ich, es war nur ein einfacher Sturz und ich könnte nach einer kurzen Pause weitermachen. Aber als ich dann gesurft bin und eine große Drehung gemacht habe, hat es ‘Knack‘ gemacht“, erzählt der Australier.

Trotzdem nutzt Murray jede freie Minute, um Riversurfen zu gehen. „Es ist in der Stadt, es ist kostenlos und es ist das ganze Jahr da. Für mich ist es etwas Besonderes. Ich habe mein Surfbrett immer im Auto und wenn mir jemand absagt, kann ich schnell für eine Stunde hierherkommen. Es ist schön.“

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