Reiselust statt Klimaschutz! Deutsche buchen immer häufiger Kreuzfahrten | The Weather Channel

Reiselust statt Klimaschutz! Deutsche buchen immer häufiger Kreuzfahrten

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Ein Kreuzfahrtschiff legt an einem Steg an
(Getty Images)

Allen Debatten um Klimakrise, Ökologie und Nachhaltigkeit zum Trotz sind Kreuzfahrten bei den Deutschen eine zunehmend beliebte Reiseart. Doch wie passt das zum grünen Zeitgeist? Immerhin gelten die weißen Ozeanriesen nach wie vor als ausgemacht schädlich fürs Klima.

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Immer häufiger stechen die Bundesbürger im Urlaub in See – in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres stieg die Zahl der deutschen Kreuzfahrtpassagiere dem Branchenverband Clia zufolge um stattliche 18 Prozent. Insgesamt 1,77 Millionen Passagiere aus Deutschland buchten demnach zwischen Januar und September 2019 eine Kabine auf einem der schwimmenden Riesenhotels.

Unter den europäischen Ländern wies Deutschland damit das stärkste Wachstum auf; der gesamteuropäische Markt wuchs im gleichen Zeitraum um acht Prozent auf insgesamt 5,4 Millionen Passagiere. Naturschutzorganisationen sehen diesen Trend kritisch. Der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) bemängelt etwa in seinem Kreuzfahrtranking 2019, dass das Gros der Schiffe nach wie vor mit fossilen Brennstoffen angetrieben wird.

Reiselust widerspricht Klimaschutz

Aller Umweltbedenken zum Trotz dürfte sich auch im laufenden Jahr die Beliebtheit von Schiffsreisen weiter verstärken. So ergab eine repräsentative Umfrage des Zukunftsforschers Professor Dr. Horst Opaschowski gemeinsam mit dem Ipsos Instituts kürzlich, dass die Reiselust der Deutschen trotz Klimakrise und klimapolitischer Maßnahmen auch 2020 ungebrochen bleiben wird.

Dieser Widerspruch ist Opaschowski zufolge nur ein scheinbarer, denn viele Menschen trennen die Themen Reisen und Ökologie voneinander. „Im Urlaub bleibt das Umweltbewusstsein zu Hause“, resümiert der Zukunftsforscher. „Ein Reiseverzicht würde einen Lebensnerv empfindlich treffen – den grenzenlosen Erlebnishunger. Den kann auch die Fridays-for-Future-Bewegung nicht außer Kraft setzen.“

Umdenken bei der Industrie?

Allerdings wird die Frage nach der Klimaverträglichkeit zunehmend auch von den Reedereien selbst gestellt. Einige Kreuzfahrt-Anbieter haben bereits die ersten Schiffe mit Flüssiggas-Antrieb (LNG) in Betrieb genommen. Laut Sönke Diesener, NABU-Referent für Verkehrspolitik, treten dabei im internationalen Vergleich vor allem deutsche Reedereien als Vorreiter in Erscheinung. Allerdings sei das lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung.

„Insgesamt ist es noch nicht zufriedenstellend – LNG ist nicht der Energieträger der Zukunft, sondern höchstens der Stunde“, sagt Diesener. Denn: Obwohl das Flüssiggas deutlich geringere Feinstaub-, Schwefeloxid- und Stickstoffoxid-Emissionen verursache, senke es den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) nur geringfügig. „Das verbessert zwar die Luftreinheit, für den Klimaschutz ist damit aber noch nichts gewonnen“, sagt der NABU-Experte.

Weitergabe der Verantwortung

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Trotzdem nutzen die Reedereien ihre neuen Antriebstechnologien auch für das Marketing. Einerseits geben sie sich so ein grüneres Image. Andererseits kommen sie Professor Dr. Horst Opaschowski zufolge ihren Kunden damit in gewisser Hinsicht entgegen. Diese erlebten Kreuzfahrten als gelungene Symbiose von Mensch, Natur und Technik und überließen die Sorge um die Umwelt gerne den Reedereien, glaubt der Zukunftsforscher.

Er vergleicht Kreuzfahrtschiffe mit einsamen Inseln, die für eine gewisse Zeit Sicherheit und Geborgenheit garantieren. „Reedereien sollen nur eines anbieten: alles“, sagt Opaschowski. „Ökonomisch, ökologisch, mental und auch sozial soll die Erlebnisqualität an Bord garantiert sein. Wie einen Wanderpokal reichen die Urlauber die Verantwortung hierfür an die Reedereien weiter: Sie sollen es richten, ohne die Urlaubsfreude zu opfern.“

Neue Energieformen auch auf hoher See

Der NABU fordert von der Kreuzfahrtindustrie deshalb, den Einsatz fossiler Kraftstoffe ab spätestens 2030 vollständig einzustellen. Auf dem Weg dahin seien auch Zwischenschritte möglich. So könnten etwa die technischen Standards, die schon heute an Land gelten, auch auf hoher See umgesetzt werden, etwa durch den Einsatz moderner Dieselmotoren mit Partikelfiltern und Katalysatoren.

Um fossile Brennstoffe langfristig ganz zu ersetzen, kommen demnach Brennstoffzellen, Batterien und Windunterstützung ebenso in Frage wie synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien, die häufig unter der Bezeichnung „Power-to-X“ zusammengefasst werden. „Aus unserer Sicht müssen Reisende nicht auf Kreuzfahrten verzichten“, fasst NABU-Referent Diesener zusammen. „Es führt allerdings kein Weg daran vorbei, die Kreuzfahrtschiffe sauberer zu machen – und das ist auch heute schon möglich.“

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