Vier Jahre nach der Jahrhundert-Flut | Weather.com

Vier Jahre nach der Jahrhundert-Flut: Es gibt noch viele Baustellen

Die Naturgewalt des Hochwassers im Juli 2021 machte fassungs- und hilflos. In Nordrhein-Westfalen starben 49 Menschen, Milliardenschäden entstanden. Der Wiederaufbau läuft. Es bleibt viel zu tun.

Vier Jahre nach der Jahrhundert-Flut gibt es noch viele Baustellen (Marius Becker/dpa)
Vier Jahre nach der Jahrhundert-Flut gibt es noch viele Baustellen
(Marius Becker/dpa)

Mitte Juli 2021 fiel pausenlos Regen. Die Böden waren durchtränkt und konnten das Wasser nicht mehr aufnehmen. Kleine Bäche wurden zu reißenden Flüssen mit einer unbekannten, zerstörerischen Wucht. In der Hochwasser-Katastrophe starben in Nordrhein-Westfalen 49 Menschen, darunter zwei Feuerwehrleute. Um den 14. Juli 2021 wurden Straßenzüge mit Häusern und Geschäften, Kindergärten, Schulen und Kirchen sowie viele Felder verwüstet. Die Wassermassen spülten Autos wie Spielzeug umher.

Vor allem in der Eifel, im Bergischen Land und in Teilen des Sauerlands brachte die Flut riesige Zerstörungen. Das Jahrhundert-Hochwasser richtete Schäden von 13 Milliarden Euro an.

Für den Wiederaufbau wurden in Nordrhein-Westfalen bislang 4,3 Milliarden Euro bewilligt, etwa die Hälfte ist schon ausbezahlt. Der ganze Wiederaufbautopf von 12,3 Milliarden Euro wird wohl nicht völlig ausgeschöpft. Jedoch ist noch längst nicht alles wieder aufgebaut. Kitas und Schulen müssen errichtet werden. Immer noch sind Schüler in Containern untergebracht.

Ein Rathaus verschwindet

Das vom Hochwasser geschädigte Rathaus von Stolberg überragt die Altstadt (Oliver Berg/dpa)
Das vom Hochwasser geschädigte Rathaus von Stolberg überragt die Altstadt
(Oliver Berg/dpa)

Im malerischen Stolberg wird in diesen Monaten das von Hochwasser zerstörte Rathaus in der Innenstadt abgerissen. Die Flut hatte in dem zehnstöckigen Hochhaus aus dem Jahr 1976 einen Totalschaden hinterlassen. Der Neubau entsteht auf dem alten Grundstück und soll 95 Millionen Euro kosten, die von Bund und Land bezahlt werden. In etwa fünf Jahren soll das neue Rathaus stehen. In der Zwischenzeit wird das Areal in der 56.000-Einwohner-Stadt bei Aachen für Veranstaltungen genutzt. Zum Beispiel für Comedy und Konzerte.

Baustelle Eifel-Bahn

Nach knapp vier Jahren Stillstand wegen der Flutschäden rollt die Eifel-Bahn zumindest auf einem Teilstück wieder zwischen Hürth, Euskirchen und Gerolstein. Die Linie wird vor allem von Pendlern und Touristen genutzt. (Foto: Oliver Berg/dpa)
Nach knapp vier Jahren Stillstand wegen der Flutschäden rollt die Eifel-Bahn zumindest auf einem Teilstück wieder zwischen Hürth, Euskirchen und Gerolstein. Die Linie wird vor allem von Pendlern und Touristen genutzt.
(Foto: Oliver Berg/dpa)
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Seit einigen Tagen rollt die Bahn durch die Eifel wieder auf einem Teilstück zwischen Hürth, Euskirchen und Gerolstein. In Richtung Trier kann der Abschnitt noch nicht durchgängig befahren werden. Dieser Teil soll 2028 fertig sein. Die Wassermassen hatten Gleise unterspült, Schienen herausgerissen und den Schienenverkehr lahmgelegt. Die 164 Kilometer lange Eifel-Bahn wird vor allem von Pendlern und Touristen genutzt. Stillstand herrscht aber noch auf der durch das Hochwasser zerstörten Bahnverbindung zwischen Bad Münstereifel und Euskirchen. Mitte Dezember 2025 soll die Erfttal-Bahn saniert sein und wieder fahren.

Die Wassermassen hatten Gleise unterspült, Schienen herausgerissen und den Schienenverkehr zeitweise lahmgelegt (Oliver Berg/dpa)
Die Wassermassen hatten Gleise unterspült, Schienen herausgerissen und den Schienenverkehr zeitweise lahmgelegt
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Talsperre auf dem Trockenen

In der Steinbachtalsperre wächst Gras, wo vorher Wasser stand. Die Talsperre soll wieder aufgebaut werden (Oliver Berg/dpa)
In der Steinbachtalsperre wächst Gras, wo vorher Wasser stand. Die Talsperre soll wieder aufgebaut werden
(Oliver Berg/dpa)

Die als Ausflugsziel beliebte Steinbach-Talsperre bei Euskirchen ist vier Jahre nach der Flut immer noch leer. Aber die Talsperre soll wieder genutzt werden. Im Idealfall bis Ende 2028. Die Anlage aus den 1930er Jahren mit denkmalgeschütztem Waldfreibad hat viele Fans. Während der Flut fand hier eine dramatische Rettungsaktion statt: Unter dem Wasserdruck drohte der Damm der Talsperre zu brechen. In den unterhalb gelegenen Dörfern mussten Tausende Bewohner ihre Häuser verlassen. Viele konnten nur mit Booten gerettet werden. Damals baggerte unter Lebensgefahr ein Tiefbauunternehmer den verstopften Abfluss frei.

Die Steinbachtalsperre bei Euskirchen im Juli 2021, nachdem das Wasser abgelassen wurde (David Young/dpa)
Die Steinbachtalsperre bei Euskirchen im Juli 2021, nachdem das Wasser abgelassen wurde
(David Young/dpa)

Neue Leitstelle

Der Kreis Euskirchen, der einer der Brennpunkte in der Katastrophennacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 war, hat als Konsequenz viel in den Bevölkerungsschutz investiert. Die neue Leitstelle hat eine Notfallstromversorgung, mehrere Räume für den Krisenstab und bessere Kommunikationsstrukturen. In dem Flächenkreis in der Eifel wurden seit der Flut auch die Sirenen-Infrastruktur erneuert und 174 Notfallmelde-Stellen installiert.

Während des Hochwassers war das Kreishaus zeitweise per Telefon nicht mehr zu erreichen, Mobilfunknetz und Internet waren zusammengebrochen. „Nach der Katastrophe ist viel passiert“, sagt Landrat Markus Ramers. Man sei auf solch eine gewaltige Katastrophe nur unzureichend vorbereitet gewesen.

Schnellstart im Krisenfall

Eine Konsequenz ist auch die Landesstelle für Katastrophenschutz beim NRW-Innenministerium in Düsseldorf. Die derzeit aufgebaute Einrichtung soll dazu beitragen, bei Großschadenslagen schnell und koordiniert zu handeln, ohne sich in Zuständigkeiten zu verzetteln. Falls erforderlich, sollen die Mitarbeiter im Krisenfall von jetzt auf gleich loslegen. Ziel ist, die Kommunen und Bezirksregierungen zu unterstützen. Ende 2026 soll die Landesstelle komplett sein.

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