Griechenland erlebt Comeback der Raubtiere | Weather.com
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Wölfe, Bären, Wildschweine: Griechenland erlebt Comeback der Raubtiere

Im ländlichen Nordwesten von Griechenland leben heute viel mehr Wölfe, Bären und Wildschweine als noch vor einigen Jahren. Manche Menschen fordern, den Abschuss der Tiere zu erleichtern, andere plädieren für eine sanfte Abschreckung.

Nea Ptolemaida, Nordgriechenland, 30. Oktober 2025: Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift „Vorsicht – Geschwindigkeit reduzieren. Wildbärenüberquerung“ in griechischer und englischer Sprache (AP Photo/Giannis Papanikos)
Nea Ptolemaida, Nordgriechenland, 30. Oktober 2025: Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift „Vorsicht – Geschwindigkeit reduzieren. Wildbärenüberquerung“ in griechischer und englischer Sprache
(AP Photo/Giannis Papanikos)

Es war ein schockierender Anblick für Anastasios Kasparidis: Drei seiner Schafe lagen zerfleischt auf der Koppel. Große Pfotenabdrücke im Boden ließen keinen Zweifel daran, dass die Tiere von einem Bären gerissen worden waren. Die hier früher nur selten vorkommenden Raubtiere sind in Kasparidis' Heimat im Nordwesten von Griechenland inzwischen zunehmend häufig zu sehen.

"Es war ein Bär, ein sehr großer, und sie kommen jetzt häufig", sagt der Bauer. "Ich war nicht als einziger betroffen, er hat auch anderswo zugeschlagen." Ein Kollege habe Hühner und Schweine verloren. Kasparidis verlegte den Rest seiner kleinen Schafherde zum Schutz in einen Stall in der Nähe seines Hauses. "Sonst hätte ich am Ende gar keine Schafe mehr", sagt er. "Die Bären würden sie alle fressen."

Debatte um Bären, Wölfe und Wildschweine

Umweltschützerinnen und Umweltschützer begrüßen die Erholung von Bär- und Wolfspopulationen infolge eines Jagdverbots in Griechenland. Doch einige Bauern und Bewohner ländlicher Regionen fürchten nun nach eigenen Worten um ihre Existenz und Sicherheit und fordern mehr Schutz.

Der Braunbär, das größte Raubtier in Griechenland, verzeichnet ein bemerkenswertes Comeback: Die Zahl der Tiere hat sich seit den 1990er-Jahren etwa vervierfacht, wie Dimitris Bakaloudis erklärt, Professor für Naturschutz an der Aristoteles-Universität Thessaloniki. Nach Schätzung der Umweltorganisation Arcturos leben in den Wäldern Nordgriechenlands bis zu 870 Braunbären.

Ein Braunbär spielt am Donnerstag, 30. Oktober 2025, im Arcturos-Schutzgebiet in Nymfaio, Nordgriechenland. (AP Photo/Giannis Papanikos)
Ein Braunbär spielt am Donnerstag, 30. Oktober 2025, im Arcturos-Schutzgebiet in Nymfaio, Nordgriechenland.
(AP Photo/Giannis Papanikos)

Begegnungen mit Menschen nehmen zu

Auch die Zahl der Wölfe und ihr Verbreitungsgebiet hat sich vergrößert. Während die Tiere laut Bakaloudis noch 2010 nicht weiter südlich vorkamen als in Zentralgriechenland, haben sie sich mittlerweile bis an den Stadtrand von Athen und auf den Peloponnes ausgebreitet. Die Erholung geht zum Teil auf eine ebenfalls wachsende Wildschwein-Population zurück. Der Anblick von einem Dutzend oder mehr Wildschweinen, die über Bürgersteige trotten oder in Hinterhöfen schnüffeln, ist in vielen Teilen des Landes heute keine Seltenheit mehr.

Die größere Zahl an Wildtieren führt auch zu mehr Kontakt mit Menschen – von denen die meisten nicht wissen, wie sie sich in solchen Fällen verhalten sollten. In manchen Gemeinden kam Angst auf, auch wegen einiger Vorfälle in diesem Jahr: Ein Kind wurde von einem Wolf gebissen, ein älterer Mann in seinem Hof von einem Bären verletzt, und ein Wanderer von einem Bären gebissen. Ein weiterer Mann kam während einer Konfrontation mit einem Bären bei einem Sturz in eine Schlucht ums Leben.

Verängstigte Dorfbewohner

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In der von Feldern umgebenen 660-Einwohner-Ortschaft Levea im Nordwesten Griechenlands wurden im Oktober mehrere Begegnungen mit Bären gemeldet. Die Tiere streifen regelmäßig durch das Dorf, wie Ortsvorsteherin Tzefi Papadopoulou sagt. Unter Bewohnerinnen und Bewohnern gehe Angst um: "Sobald sie einen Hund bellen hören, sind sie bereit, mit dem Gewehr rauszugehen."

Im nahegelegenen Valtonera, 170 Kilometer westlich der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki, ist die Lage ähnlich. "Früher gab es im Dorf keine Wildtiere. Ab und zu ist mal ein Wolf aufgetaucht", sagt Gemeindechef Konstantinos Nikolaidis. Nun dagegen streiften Wildschweine, Füchse, Bären oder Wölfe um die Ortschaft oder sogar durch die Straßen. "Das löst unter allen Bewohnern Besorgnis aus", erklärt er. "Es ist jetzt schwierig, spätabends oder nachts nach draußen zu gehen."

Rufe nach längerer Jagdsaison

Das Anwachsen der Wildschwein-Population löst unterdessen Forderungen nach einer Verlängerung der Jagdsaison aus. Die Tiere näherten sich zunehmend Wohnhäusern, sagt Giorgos Panagiotidis, stellvertretender Bürgermeister der Kleinstadt Amyntaio. Im Mai forderte er deshalb die Behörden auf, das Abschießen von Wildschweinen auch außerhalb der Saison zu erlauben.

Das Thema wird nicht nur in Griechenland diskutiert. In der Europäischen Union setzten sich Bauern gegen Umweltschützer durch, als das EU-Parlament im Mai den Schutzstatus des Wolfes in allen 27 Mitgliedsstaaten absenkte. Die Initiative hatte auch die Unterstützung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, deren Pony "Dolly" vor drei Jahren von einem Wolf gerissen worden war.

Verlust von Lebensräumen

Fachleute weisen darauf hin, dass nicht nur die größere Zahl an Wildtieren der Grund dafür sei, dass diese sich bewohnten Gebieten nähern. Dazu trügen weitere Faktoren bei, darunter der Verlust von Lebensräumen aufgrund von Wald- und Buschbränden oder Lärmstörungen durch Windräder und Wohnmobile. "Die Habitate von Bären sind fragmentiert, es gibt häufige Dürren, einen Mangel an Nahrungsmitteln in der natürlichen Umgebung und die Landflucht, die unbewohnte Gegenden attraktiver macht für Bären, so dass sie sich nähern und Nahrung finden", sagt Panos Stefanou von der Organisation Arcturos.

Experte Bakaloudis weist auf wissenschaftlich entwickelte und erprobte Methoden hin, um Wölfe und Bären in Schach zu halten. Dazu zählten der Einsatz von Licht rund um Grundstücke, die korrekte Entsorgung von Müll und Tierkadavern sowie der Verzicht auf die Fütterung von Streunern. Tierschützer Stefanou warnt vor vermeintlich einfachen Ansätzen: "Die Tötung der Tiere wird das Problem nicht lösen."

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